Heute möchte ich (Stephan 37 Jahre) meine Geschichte hier teilen. Alles begann am 27. Februar 2005.

Ich arbeitete zu dieser Zeit in Mainz als Erzieher und war gerade einen Tag davor, meinen Arbeitgeber zu wechseln (nach Wiesbaden). Ich hatte die letzen Urlaubstage genommen. Zur Entspannung bin ich den Abend vorher in die Sauna gegangen. Dort erlitt ich einen epileptischen Anfall. Das war ein Schock für mich. Ich kam mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus. Ich wurde tagelang untersucht, auch mit einem MRT. Nach zwei Tagen Warten kam die Diagnose. SIE HABEN EINEN GEHIRNTUMOR, sagte der Arzt.

Am Anfang war ich völlig baff. Ich habe angefangen zu heulen.

Zum Glück wusste der Arzt, dass ich evangelisch bin und hatte vorher schon einen Pfarrer informiert, der mit im Raum saß. Der Arzt rief dann meine Mutter in Dresden an und unterstützte mich, es meinen Eltern mitzuteilen. Und hat dann das Gespräch übernommen. Ich bin dann mit dem Pfarrer in einen extra Raum und wir haben erstmal geredet. Es war gut, dass ich nicht alleine war.

Drei Wochen später war die erste OP. Dabei konnten die Ärzte einen großen Teil des Tumors entfernen. Komplett herausnehmen konnten sie ihn aber nicht. Wenn Sie das gemacht hätten, hätte ich nicht mehr gehen und mich nicht bewegen können.

Ich kämpfte mich zurück ins Leben.

In meiner Heimat Dresden fande ich wieder einen Job als Erzieher.

Doch drei Jahre später kam leider der Rückschlag und wieder war es der 27. Februar. Bei einer Routineuntersuchung stellten die Ärzte fest, dass mein unfreiwilliger Untermieter wieder gewachsen war. Ich fuhr wieder nach Mainz in die Uniklinik (da ich Vertrauen in diese hatte). Diesmal waren die Auswirkungen der OP größer.

Ich war nach der OP halbseitig gelähmt. Zum Glück hatte ich gute Freunde, Krankenpfleger und Therapeuten, die mich in dieser Zeit gut unterstützten und förderten. Die vier Wochen waren echt hart. Mein großes Ziel war, Gehen, Greifen und Schlucken zu können. Ich kann mich leider nur noch daran erinnern, dass mein Kumpel mich im Rollstuhl über den Krankenhausflur schob. Danke dafür. Nach vier Wochen haben mich meine Eltern aus dem Krankenhaus in Mainz abgeholt. (Da die Krankenkassen nur den Transport bis 200 km bezahlt. Ich hatte bei der Frühvisite den Arzt gefagt, ob ich nach Hause könnte und er sagte „Ja, aber die Krankenkasse bezahlt den Transport nicht.“)

In der Reha gewann ich langsam mein Körpergefühl zurück. Die schwere Zeit war leider noch nicht vorbei. Danach kamen noch 6 Wochen Bestrahlungstherapie und noch ne Reha, danach noch eine Chemotherapie. In dieser Zeit bin ich wieder bei meinen Eltern eingezogen. Für diese Unterstützung in der schweren Zeit bin ich meinen Eltern unendlich dankbar!!!!

Mitterweile bin ich Erwerbsunfähigkeitsrentner und es geht mir gut. Ich habe regelmäßig alle halbe Jahre TÜV (MRT). Ich habe gelernt, mit meiner Erkrankung umzugehen.

Was mach ich jetzt? Ich habe verschiedene Ehrenämter wie z.B.

Leiter einer Selbsthilfegruppe, die ich 2009 gegründet habe: www.gespraechskreis-hirntumor.de
bin in verschiedenen Patientenbeiräten
leite den Stammtisch Junge Selbsthilfe in Dresden
usw.

Bei Fragen fragt mich einfach.


 

Ich muss zum TÜV. Oder: Ein Wunsch, der in Erfüllung geht und doch immer wieder kommt (1)

Alle sechs Monate habe ich den gleichen Wunsch: Dass alles in Ordnung ist. Letzte Woche war es wieder soweit. Ich musste zum Routine MRT. Das war bestimmt bereits das 70ste Mal. Wie bei einem alten Auto, das zum TÜV muss. Die Zeit davor ist für mich immer aufregend und ich schiebe ein wenig Panik und versuche, es zu verdrängen. An dem Tag davor trinke ich viel, damit die Chance höher ist, dass sie beim Versuch, mir das Kontrastmittel zu spritzen, meine Venen treffen. An dem Tag selbst stehe ich immer sehr zeitig auf, da ich sowieso nicht schlafen kann. Nachdem ich mich fertig gemacht, Kaffee getrunken und ein wenig gefrühstückt habe, geht es los. Ich nehme wie immer denn Koffer mit meinen alten Aufnahmen mit (da Aufnahmen in der Klinik nur 6 Monate gespeichert werden. Was etwas dumm ist, da meine Voraufnahmen nicht mehr da sind).

Die halbe Stunde bis zu der Radiologie im Bus versuche ich innerlich abzuschalten. Doch meine Gedanken kreisen: was wäre, wenn? In der Radiologie warte ich bei der Anmeldung, bis ich dran bin. Ich bekomme wieder den komischen Aufklärungsbogen, den ich ausfüllen muss. Zu meiner Überraschung ein neuer Bogen, zu meiner Ernüchterung wieder dieselben dummen Fragen. Nein, ich bin noch nicht schwanger! Nachdem ich diesen ausgefüllt habe, kommt zu meiner Überraschung noch ein Zettel: Wir bitten Sie um die Zustimmung wegen Datenschutz. Mir ist gerade alles egal, ich unterschreibe. Und dann: Bitte nehmen Sie im Warteraum Platz. Ich gehe die Etage höher und werde wie immer von Mister Bean begrüßt der schon ewig dort im TV läuft. Ich gehe erstmal wohin. Als ich wieder raus komme, suche ich mir einen Platz, warte vor den drei Kabinen und frage mich, welche sich diesmal öffnet: 1,2 oder 3 – letzte Chance vorbei. Diesmal ist es die eins.

Die Tür öffnet sich, und es wieder eine neue Mitarbeiterin, die ich noch nicht kenne. Ich denke, na toll! Hoffentlich weiß sie, dass ich ein MRT vom Schädel bekomme und nicht, wie schon mal passiert vom Bein. Als Krönung bekomme ich wieder den Standardsatz: Hallo Herr Fischer, bitte ziehen sie ihre Hose aus und legen sie alle Metallgegenstände ab. In meinem Kopf wird die Erinnerung wach, als ich mal eine 1-Cent-Münze in der Hose vergessen hatte, die nach dem MRT am MRT-Gerät geklebt hat.

Nachdem ich nun halb nackt in der Kabine gewartet habe, bis ich dran komme, geht es los. Ich lege mich auf die Liege des MRT-Gerätes (von Siemens 1,5 Tesla). Dann kommt eine neue Schwester und legt mir die Kanüle. Zu meiner Verwunderung trifft sie gleich meine Vene beim ersten Mal. Der Rekord bei einer anderen waren mal 5 Versuche, das war schrecklich, ich glaube da hatten die Venen Angst und hatten sich verzogen. Nun nachdem die Kanüle gelegt war, kommt die Ärztin und spritzt mir das Anti-Brechmittel. Seit den letzten MRTs wir mir nämlich immer schlecht von dem Kontrastmittel.

 

Ich muss zum TÜV. Oder: Ein Wunsch, der in Erfüllung geht und doch immer wieder kommt (2)

Alle sechs Monate muss ich zum MRT. Jedes Mal habe ich den gleichen Wunsch: Dass alles in Ordnung ist.

Ich liege auf der Liege des MRT-Gerätes und sage noch schnell, dass sie mich in Ruhe lassen und nichts sagen sollen, weil ich es schon merke, wenn das Kontrastmittel gespritzt wird. Als die MRT-Aufnahme los geht, schlafe ich ein. Nach 45 Minuten schrecke ich auf, weil das MRT auf einmal zu Ende ist. Ich habe es wieder einmal geschafft.

Nun geht es zurück in die Umkleide. Wo ich nochmals zehn Minuten auf die CD mit den Aufnahmen warte. Danach gehe ich schnell aus der Umkleide raus. Wie immer lege ich noch im Wartezimmer ein paar Flyer von meiner Selbsthilfegruppe aus.

Dann wird es ernst: Mit den Aufnahmen gehe ich sofort zur Auswertung zu meinem Neurochirurgen in die Klinik. Auf dem Weg zur Klinik trinke ich erst mal richtig viel. In der Neurochirurgischen Ambulanz werde ich sehr freundlich begrüßt. Nachdem ich meinen Koffer mit den Aufnahmen abgeliefert habe, unterhalte ich mich erst mal ein wenig mit der Schwester. Mein Neurochirurg steht an der Tür vom Wartezimmer und winkt mich lächelnd zu sich. Ich wundere mich, er sieht so anders aus, er hat jetzt einen Vollbart. Ich frage ihn, was los sei, er lächelt und sagt, es wäre ihm zu lästig, sich jeden Tag zu rasieren. Ich kann ihn voll verstehen. Danach gehen wir in sein Ärztezimmer, er zeigte mir die Bilder. Na, fragt er mich, sehen Sie was? Ich verneine das.

Ich sehe zwar ein 4×5 Zentimeter großes Loch, denn fast die Hälfte von meinem Gehirn wurde vom Tumor weggedrückt (das Gehirn bleibt nach der OP an der Stelle wo es ist. Die Stelle, wo der Tumor war, füllt sich mit Liquor (Hirnwasser)). Aber auch dieses Mal waren keine Veränderungen zu sehen. Mein Arzt sagt, dass ich für Neurochirurgen langweilig bin. Innerlich fällt mir ein großer Stein vom Herzen. Mit meinem Arzt rede ich dann wie meistens noch ein bisschen über meine Selbsthilfegruppe. Er hat unsere Visitenkarten und er schickt alle, die eine frische Diagnose bekommen haben, zu uns. Fast die Hälfte in unserer Gruppe ist durch ihn zu uns gekommen. Vielen von ihnen geht es viel sehr schlechter als mir.

Wir reden noch ein wenig über Möglichkeiten, auf die Selbsthilfegruppe aufmerksam zu machen, z.B. Werbung auf den Stationen, und über einen Vortag in der Selbsthilfegruppe. Er sagt, alles ist möglich. Ich freute mich und gehe wieder zur Schwester und lasse mir neue Termine geben für Juni 2019. Denn ich habe jetzt erst einmal wieder ein halbes Jahr Ruhe.

Dann kommt der Wunsch, dass alles in Ordnung ist, wieder. Und ich hoffe, dass er sich dann auch wiedererfüllt. Ich bin zufrieden und verteile noch Flyer auf der Station. Danach rufe ich wieder meine Eltern an und informiere sie. Jetzt bin ich wieder zurück im Leben.

 

 

Stephan Fischer
Gesprächskreis Hirntumor Dresden
Postfach 450450
01245 Dresden
E-Mail: info@gespraechskreis-hirntumor.de

 


 

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